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Medienmitteilung vom 19.01.2022

Jan 19, 2022

Kalt­brunn, 19. Jan­u­ar 2022

«Wir bitten die Betroffenen um Entschuldigung und stehen zur Verantwortung aus der Vergangenheit.»

Erste Erken­nt­nisse aus der unab­hängi­gen Unter­suchung bei der Evan­ge­lis­chen Gemeinde Hof Oberkirch (EGHO) und der Christlichen Schule Linth (CSL) zu Fehlver­hal­ten in der Ver­gan­gen­heit zeigen, dass es vor allem in der Zeit bis 2002 in bei­den Ein­rich­tun­gen zu seel­is­ch­er und kör­per­lich­er Gewalt einzel­ner ehe­ma­liger Lehrer und Gemein­demit­glieder gegenüber Kindern und Jugendlichen gekom­men ist. Darüber hin­aus gibt es Hin­weise auf zwei sex­uelle Miss­brauchs­fäll Ende der 1990er Jahre durch ehe­ma­lige Vertreter der Schule und andere Per­so­n­en, die früher zum Umfeld der Gemeinde zählten, sowie einen sex­uellen Miss­brauchs­fall unter zwei ehe­ma­li­gen Schülern. Die heutige Leitung der Gemeinde sowie die heuti­gen Vertreter der Schule sind erschüt­tert über das Geschehene und bit­ten die von Gewalt und Miss­bräuchen Betrof­fe­nen in aller Form um Entschuldigung für das Leid, das ihnen ange­tan wurde. Die Gemeinde sowie die Schule wollen den Dia­log mit den Betrof­fe­nen weit­er suchen und Unter­stützung anbi­eten. Darüber hin­aus wur­den ein Neustart der EGHO wie der CSL unter neuer Führung sowie präven­tive Mass­nah­men für die Zukun­ft beschlossen. Bere­its im Jahr 2002 hat­ten die EGHO wie auch die CSL unter­strichen, dass eine Null­tol­er­anzpoli­tik gegenüber jeglich­er Gewalt ver­fol­gt wird. Die wurde mit der kom­plet­ten Tren­nung von der Kwa Siz­a­ban­tu Mis­sion (KSB) in Südafri­ka im Früh­jahr 2019 nochmals bestätigt, nach­dem dort Kor­rup­tions- und Miss­brauchsvor­würfe bekan­nt gewor­den sind.

Vor dem Hin­ter­grund südafrikanis­ch­er Berichte über Ver­fehlun­gen in der Kwa Siz­a­ban­tu Mis­sion, von der sich die Evan­ge­lis­che Gemeinde Hof Oberkirch 2019 tren­nte, hat­te die Leitung der EGHO und der CSL auf der Basis eines Vorschlags aus dem Früh­jahr 2021 beschlossen, eine unab­hängige Unter­suchung einzuleit­en. Ziel ist, die Geschichte bei­der Ein­rich­tun­gen unvor­ein­genom­men und vor­be­halt­los durch unab­hängige Instanzen aufzuar­beit­en. Im Mit­telpunkt der Unter­suchung ste­ht die Frage, ob es auch in der Schweiz­er Gemeinde vor der Tren­nung von der KSB Mis­sion zu Ver­fehlun­gen gekom­men ist. Die Unter­suchung ste­ht unter der Leitung des ehe­ma­li­gen Bun­desrichters und heuti­gen Part­ners der Recht­san­walt­skan­zlei Capt Zollinger, Niklaus Ober­holz­er, und seines Büropart­ners David Zollinger. Sie führen und bew­erten den Prozess im Rah­men ein­er exter­nen, unab­hängi­gen Unter­suchung. Niklaus Ober­holz­er und David Zollinger haben Zugang zu allen alten und neuen Akten erhal­ten und wer­den einen Schluss­bericht mit Empfehlun­gen erstellen. Der Abschluss­bericht wird für das Früh­jahr 2022 erwartet.

Im Rah­men der Unter­suchung wur­den alle Gemein­demit­glieder zunächst schriftlich nach möglichen beobachteten oder erfahre­nen Ver­fehlun­gen befragt. Es wur­den ins­ge­samt mehr als 500 ehe­ma­lige Schü­lerin­nen und Schüler oder Mit­glieder der Kirche angeschrieben, die sich unter dem Schutz der ther­a­peutis­chen Schweigeplicht bis Mitte Dezem­ber an die unab­hängige Prax­is­ge­mein­schaft für Psy­chother­a­pie und psy­chol­o­gis­che Beratung von Daniel und Regi­na Zwik­er in Bern wen­den kon­nten. Ins­ge­samt 57 Betrof­fene haben mit der unab­hängi­gen Meldestelle Kon­takt aufgenom­men.

Nach­dem die Gespräche zwis­chen dem Ther­a­peuten­paar und den Betrof­fe­nen zum Jahreswech­sel abgeschlossen wur­den, zeigen die ersten Erken­nt­nisse, dass es Gren­zver­let­zun­gen und Miss­bräuche vor allem bis in die Zeit bis 2002 gegeben hat.

Die Miss­bräuche gehen dabei vor allem auf eine damals von Einzel­nen falsch aus­gelegte Lehre zurück, die dazu führte, dass gewisse Men­schen durch Angst verun­sichert wur­den. Dabei über­wog das Ver­ständ­nis eines strafend­en Gottes. Zudem ver­let­zte die dama­lige Lehre auch die Gle­ich­w­er­tigkeit von Mann und Frau. Gren­züber­schre­itun­gen und Miss­bräuche wie Schläge wur­den von den Ver­ant­wortlichen gegenüber den Betrof­fe­nen als gerechte Strafe dargestellt. Dabei agierten die Ver­ant­wortlichen in einem von ihnen geschaf­fen kon­spir­a­tiv­en Umfeld, bei dem darauf geachtet wurde, dass nicht jed­er sah, was passierte. Das Ver­trauensver­hält­nis von Seel­sorg­ern zu Kindern und Gemein­demit­gliedern wurde in den geschilderten Fällen miss­braucht. Die Berichte der Betrof­fe­nen zeigen, dass der religiöse Miss­brauch ver­let­zte, tief verun­sicherte und kri­tis­che Fra­gen ver­hin­derte.

Zwei ehe­ma­lige Schü­lerin­nen berichteten von wieder­holter sex­ueller Gewalt Ende der 1990er Jahre durch ehe­ma­lige Vertreter der Schule und andere Per­so­n­en, die früher zum Umfeld der Gemeinde zählten. Bei dem anderen Fall Ende der 1990er Jahre soll es sich um wieder­holte sex­uelle Gewalt zwis­chen zwei Schülern gehan­delt haben. Evi­dent war darüber hin­aus das Fehlver­hal­ten von Seit­en eines ehe­ma­li­gen Lehrers in den Nuller­jahren mit sex­uellen Gren­zver­let­zun­gen gegenüber Schü­lerin­nen.

Zu grober kör­per­lich­er Gewal­tan­wen­dung, die gross­es Leid und Schmerzen verur­sacht­en, kam es ins­beson­dere in den 1990-er Jahren. 2002 wurde kör­per­liche Züch­ti­gung in der Schu­lord­nung expliz­it unter­sagt. 2003 unter­sagte das Bun­des­gericht die Gewal­tan­wen­dung an Schweiz­er Erziehungsanstal­ten.

«Wir bedauern zutief­st, dass den uns anver­traut­en Kindern Leid wider­fahren ist. Wir sind über die Anzahl und die aufge­bracht­en Miss­brauchs­fälle erschüt­tert und schä­men uns dafür. Wir nehmen jeden Vor­wurf der Gren­zver­let­zung oder Unrecht­shand­lung sehr ernst. Wir bit­ten die Betrof­fe­nen in aller Form um Entschuldigung und erken­nen ihr Leid an und ste­hen zu unser­er Ver­ant­wor­tung aus der Ver­gan­gen­heit. Wir bit­ten auch um Entschuldigung dafür, dass wir diese Unter­suchung nicht schon vor Jahren ini­ti­iert haben, als erste Anze­ichen von Fehlver­hal­ten deut­lich wur­den. Wir haben uns zu schnell mit ein­fachen Antworten und Reak­tio­nen zufriedengegeben. Dies bedauern wir von Herzen. Wir kön­nen Leid nicht ungeschehen machen, aber wir wollen Unrecht trans­par­ent und vor allem, soweit dies möglich ist, wiedergut­machen. Schliesslich wollen wir auch alles dafür tun, dass solch ein Fehlver­hal­ten in unser­er Gemeinde und an unser­er Schule nicht mehr möglich ist», erk­lärt Oth­mar Vos­er, geschäfts­führen­der Präsi­dent der Evan­ge­lis­chen Gemeinde Hof Oberkirch.

Konkret heisst das:

  1. Alle Gemein­de­v­er­ant­wortlichen der EGHO, der Vor­stand des Trägervere­ins der CSL und der Schul­rat der CSL treten von ihren Ämtern zurück. Die Wahlen der neuen Gremien sollen im Früh­jahr 2022 abgeschlossen sein. Für die Leitung der EGHO stellt sich als Vertreter der jun­gen Gen­er­a­tion Josef Morg­er zur Wahl. Zuvor wird sich die Gemeinde eine neue Struk­tur geben. Inter­essierte müssen eine formelle Mit­glied­schaft beantra­gen. Die Ver­ant­wortlichen der Gemeinde wer­den kün­ftig direkt von den Mit­gliedern gewählt. Der Schul­rat soll kün­ftig von Josua Haus­mann geleit­et wer­den, der eben­falls zum Kreis der jun­gen Gen­er­a­tion zählt. Zur Sich­er­stel­lung des Geschäfts­be­triebs wer­den die bish­er Ver­ant­wortlichen bis zum Abschluss der jew­eili­gen Wahlen geschäfts­führend im Amt bleiben.
  2. Sämtliche Lehrper­so­n­en, die in irgen­dein­er Weise durch Unter­las­sung oder aktiv­en Zutun Ver­ant­wor­tung für die Miss­bräuche tra­gen, sind heute nicht mehr an der CSL tätig beziehungsweise sind die Arbeitsver­hält­nisse gekündigt.
  3. Die CSL wird zur Präven­tion von Miss­brauch im Rah­men der Lehrerfort­bil­dung geeignete Inhalte anbi­eten und darüber hin­aus bei Neue­in­stel­lun­gen von Lehrper­so­n­en ein aus­führlich­es Assess­ment durch­führen
  4. Die zuständi­gen Behör­den sind über die ersten Erken­nt­nisse der Unter­suchung und die Verän­derun­gen sowie Mass­nah­men informiert.
  5. Die Gemeinde wie auch die Schule wer­den bei allen Betrof­fe­nen von Miss­brauch oder gren­züber­schre­i­t­en­dem Ver­hal­ten in aller Form offiziell für das ihnen ange­tane Leid um Entschuldigung bit­ten.
  6. Der Dia­log mit den Betrof­fe­nen soll weit­erge­führt wer­den. EGHO und CSL bieten den Betrof­fe­nen direk­te Gespräche an.
  7. EGHO und CSL bieten ther­a­peutis­che wie rechtliche Unter­stützung bei der Aufar­beitung der gemacht­en Erfahrun­gen an. Dazu ste­hen erfahrene und unab­hängige Fach­per­so­n­en als direk­te Ansprech­per­so­n­en für Betrof­fene zur Ver­fü­gung. Wenn Hil­fen benötigt wer­den, die nicht von Drit­ten über­nom­men wer­den, wer­den die Kosten über­nom­men. Es wird unbürokratis­che Unter­stützung in beson­deren Fällen ange­boten. Die Kon­tak­tauf­nahme kann wie bish­er über die unab­hängi­gen Ther­a­peuten erfol­gen.
  8. EGHO und CSL fördern eine Kul­tur der Offen­heit. Dazu soll eine unab­hängige Ombudsstelle für Gemein­demit­glieder, Schü­lerin­nen und Schüler sowie Eltern ein­gerichtet wer­den.
  9. EGHO und CSL prüfen mit ihren Rechts­ber­atern mögliche rechtliche Schritte gegen Ver­ant­wortliche im Zusam­men­hang mit den ange­führten Ver­fehlun­gen.

Neuanfang

«Das was geschehen ist, war und ist Unrecht. Die damals ange­wandte Lehre und das damit ver­bun­dene Men­schbild sind mit dem, wofür die Gemeinde wie die Schule seit spätestens 2019 ste­hen, nicht vere­in­bar. Unser Glaube ste­ht für Respekt und Liebe gegenüber jedem Men­schen Wir nehmen die Ver­ant­wor­tung für die Ver­gan­gen­heit an und wollen dazu beitra­gen, dass ein Sys­tem der Angst nie wieder eine Chance bekommt und jedem Men­schen, der etwas zu sagen hat, stets zuge­hört wird. Wir ste­hen als neue Gen­er­a­tion für die Zukun­ft der Gemeinde und auch für den Weg der Erneuerung und Weit­er­en­twick­lung, den wir gemein­sam seit 2019 bere­its gegan­gen sind», sagen Josef Morg­er, desig­niert­er neuer Leit­er der EGHO, und Josua Haus­mann, desig­niert­er neuer Leit­er des Schul­rats der CSL.

Über Christliche Schule Linth (CSL)

Die Christliche Schule Linth, die sich 2019 als Zeichen der ein­deuti­gen Dis­tanzierung von der KSB den heuti­gen Namen gegeben hat, ist eine vom Bil­dungsrat des Kan­tons St. Gallen bewil­ligte Pri­vatschule. Die CSL bietet vom Kinder­garten bis zur 9. Klasse päd­a­gogis­chen Unter­richt für aktuell rund 40 Schü­lerin­nen und Schüler an. Sie basiert auf bib­lis­ch­er Grund­lage und pflegt die christlichen Werte. Ihr Unter­richt basiert auf dem Lehrplan Volkss­chule des Kt. St. Gallen. Die Schule finanziert sich über Schul­gelder und Spenden. www.cslinth.ch

Über die Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch (EGHO)

Die Evan­ge­lis­che Gemeinde Hof Oberkirch» (EGHO) ist eine unab­hängige Freikirche. Sie stellt sich auf die Grund­lage des Evan­geli­ums von Jesus Chris­tus, wie es in der Heili­gen Schrift gegeben, in den Beken­nt­nis­sen der Ref­or­ma­tion bezeugt und in der Glaubens­ba­sis der Europäis­chen Evan­ge­lis­chen Allianz (EEA) ver­fasst ist. Die Gemeinde finanziert sich über Spenden und umfasst rund 150 Mit­glieder. Anfang 2019 hat­te sich die evan­ge­lis­che Gemeinde Hof Oberkirch (EGHO), Kalt­brunn, nach Bekan­ntwer­den von Kor­rup­tions- und Miss­brauchsvor­würfe, von der evan­ge­likalen Mis­sion­s­ge­mein­schaft Kwa­siz­a­ban­tu in Südafri­ka getren­nt. Im Zuge dessen kam es in der Schweiz zu ein­er Abspal­tung und Grün­dung der Mis­sion Kwa­siz­a­ban­tu Schweiz, Wild­haus (SG), von der sich die EGHO distanzierte.www.egho.ch

Kontaktperson für Medien
Markus Baumgartner, Partner b‑public AG

Mobil +41 79 707 89 21 – E‑Mail mba@b‑public.ch

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